Das Gernhardtsche Bestiarium

Ein Beitrag zur Gernhardtphilologie

Von Helmut Glück

A. Ziele

Dieser Beitrag befasst sich mit der Tierwelt in Robert Gernhardts lyrischem Werk. Er schreibt einen Festschriftbeitrag fort, der diesem allzu früh vollendeten Dichter gewidmet war.[1] Dort war  Gernhardt (unter anderem) als Naturlyriker gewürdigt worden. Diese Würdigung wird im Folgenden vertieft, um Hans-Peter Ecker zu würdigen. Es werden nur Gedichte und Texte zu Bildgeschichten und Bildgedichten erfasst. [2] Gernhardts Prosawerke bleiben ausgeblendet, die Bildgeschichten Schnuffis Abenteuer[3] (entstanden 1964-1967) ebenfalls, weil Schnuffi zoologisch nicht recht einzuordnen ist.[4]  Vermutlich war Schnuffi ein Nilpferd.

Textgrundlagen waren vor allen Gernhardts Gesammelte Gedichte (2005) und der Band Vom Schönen, Guten, Baren (1997). Zusätzlich wurde Gernhardts wohl wichtigster Gedichtband durchgesehen, der Wörtersee (1981), dessen Inhalt in den Gesammelten Gedichten nicht komplett enthalten ist.

Die Fauna in Die Wahrheit über Arnold Hau wurde in die Untersuchung einbezogen. Sie geht allerdings nicht vollständig auf Gernhardts Konto; der Anteil seiner Mit-Autoren F. W. Bernstein und Friedrich Karl Waechter ist heute im Einzelnen nicht mehr festzustellen. Wie mir Lutz Hagestedt brieflich mitteilte, kann immerhin das Fallschwein[5] (Sus caducus) eindeutig F. K. Waechter zugeordnet werden. Die Belege aus der Hau-Trilogie stammen also nicht unbedingt vom realen Gernhardt, sondern einem ideellen Gesamtgernhardt: jede einzelne der dort erwähnten Kreaturen könnte von ihm erfunden worden sein. Bei selteneren und einigen exotischen Tieren sind den deutschen Tiernamen die lateinischen Bezeichnungen der Zoologen beigegeben. In einigen Fällen ließ die Zoologie die Dichtung im Stich; in solchen Fällen wurde eine passende lateinische Bezeichnung geprägt. Beim Prägen solcher Bezeichnungen waren Thomas Baier und Annette Glück-Schmidt dem Autor behilflich, wofür ihnen gedankt sei. Für eventuelle Mängel bin ich jedoch allein verantwortlich.

B. Gernhardt als Zoologe und Naturlyriker

Schon früh, nämlich im Zyklus der Hau-Gedichte, findet sich das Gedicht Tierwelt – Wunderwelt. Dort beschrieb Gernhardt die Betteneule (Ulula  pulvinaris), die im Plumeau nistet samt ihrer Brut und auf Plattdeutsch unkt, sobald es (das Bett? Was sonst?) quietscht: „Dat geit nit gut, dat geit nit gut“.[6] In diesem Gedicht kommen auch der schweigende Kragenbär[7] (Ursus thibetanus), der später in einem Vierzeiler und einer Handzeichung[8] des Dichters Karriere machte (vgl. dazu den Beitrag von Markus Behmer), dazuhin Schnabeltier[9] (Ornithorhynchus anatinus), Habicht[10] (Accipiter gentilis) und Wanderratte[11] (Rattus norvegicus) vor. Neben dem Kragenbären bleiben sie eher blasse Figuren.

Dem Tierfreund Gernhardt war kein Lebewesen zu gering für einen Reim. Nicht nur der stolze Adler[12] (Aquila) und der Greif[13] waren ihm poetischer Vorwurf, nein, auch alltägliche und verachtete, dabei aber nützliche Mitgeschöpfe wie das gemeine Haushuhn (Gallina domestica plebeia). Das ganze Tierreich, nicht nur die kleine Schar der seit alters besungenen Großvögel, Großkatzen und Pegasusartigen spielt in seinem lyrischen Schaffen eine Rolle. Allerdings bleiben manche Tiere bemerkenswert konturlos, z. B. die Tiere aus der Tiefe[14], die noch nie gesehen oder beschrieben wurden, oder das Tier, das die Schöne liebt[15] und von ihr schlimm gemobbt wird. Selbst das Untier hat er mit einem bebilderten Distichon bedacht:

Aus dem Nordmeere steigt des Untiers schreckliche Fratze
Selbst zu Tode erschreckt sinkt es gebrochen hinab.[16]

Gernhardts Tiere sollen im Folgenden vorgestellt werden,  eingeteilt in Abschnitte, die der zoologischen Taxonomie folgen.

C. Säugetiere

Mit den Säugetieren (Mammaliae, ca. 5400 Arten) befasst sich die Mammalogie. Dieser Ausdruck beruht, wie die zoologischen Termini insgesamt, auf lateinischen und griechischen Etyma; lat. mamma heißt ‚(weibliche) Brust; Euter, Zitze’. Die Säugetiere nehmen in Gernhardts Werk, soweit die Tierwelt betroffen ist, den breitesten Raum ein. Das ist nicht verwunderlich, weil sie großenteils Landbewohner und gut sichtbar sind, außerdem – soweit sie es zum Haustier gebracht haben – Partner, Mitarbeiter und Nahrungsmittel des Menschen.

Hund und Katze

Ganz vorn in der Vorkommenshäufigkeit stehen Katze[17] und Kater[18] sowie der Hund[19] (Canis lupus) mit den Untergliederungen Windhund[20], Kampfhund[21], Pudel[22], Mops[23], Spitz[24], Spaniel[25], Hühnerhund[26], Höllenhund[27] (Zerberus; eine Allegorie auf den Literaturkritiker), Schweinehund[28] und Seehund[29] (Phoca vitulina). Letzterer wird nur aus Gründen der Wortbildung hier genannt, denn er gehört zur Gattung der Robben (dazu gleich Näheres), nicht derjenigen der Caniden. Die Dominanz der Katzen und der Hunden in Gernhardts Gedichtwelt dürfte ganz praktische Gründe gehabt haben, denn der Dichter lebte lange Zeit in Frankfurt wie in Montaio in Wohngemeinschaft mit Katzen und war zeitweise Besitzer und Halter eines Hundes.

Das Pferd

Ein weiteres domestiziertes Säugetier, das Gernhardt vielfach bedichtete, ist das Pferd.[30] Bei ihm ist das Pferd nicht nur ein lyrisches Schwergewicht, sondern auch ein Anstoß für ein Bekenntnis zu einer grammatischen Neuerung, nämlich der Verlaufsform (die Progressiv-Konstruktion):

In R. [Recklinghausen] ist jeder am Flüchten.
Selbst Pferde gehn auf die Reise
Doch sosehr sich die Guten auch sputen
die Armen laufen im Kreise (LG 159).[31]

In diesem Gedicht ist Gernhardts Mit-Leiden mit dem wehrlosen Mitgeschöpf greifbar, und das nicht nur, aber auch in einem gekonnten Binnenreim (Gutensputen). Wer kann, flieht Recklinghausen: nur die wehrlosen Pferde werden von brutalisierten Rennstallbesitzern dazu gezwungen, sinnlos im Kreis herumzurennen, gerade so, wie es die internationalen Automobilkonzerne mit Sebastian Vettel machen, der wenigstens nicht laufen muss, sondern in einem kleinen bunten Auto im Kreis herumfahren darf.[32]

Andere Haustiere

Viele weitere domestizierte Tiere  sind nicht nur lyrisch von Belang, sondern auch essbar oder anderweitig nützlich, weil sie Leder oder Wolle liefern, die dem Menschen zur Bekleidung dienen. Im einzelnen sind das der Ochse[33], die Kuh[34] samt dem Kalb[35], das Lama[36], dann Sau[37], Schwein[38], Warzenschwein[39] und Trüffelschwein[40], weiterhin Hammel[41], Bock[42] und Schaf[43] samt Lamm[44] und Lämmchen[45]. Eher unscheinbar als lyrische Nutztiere sind Hase[46] und Kaninchen.[47] In der realen Welt werden sie in Hinterhöfen oder Kinderzimmern gehalten und sollen der Erziehung der nachwachsenden Generation zu Verantwortung und Sauberkeit oder aber der menschlichen Ernährung dienen. Der Hamster[48] ist allenfalls zu Ersterem verwendbar. Sie alle kommen bei Gernhardt selten vor, ebenso der Esel[49], der zwar nicht als Haustier zum Knuddeln, aber als Lasttier und als Rohstoff für italienische Salami verwendbar ist.

Wildtiere

Neben diesen höheren Säugetieren, die es zum Haus- oder Hofgenossen des Menschen gebracht haben, steht eine bunte Reihe von Tieren, die im Freien oder im Zoo zuhause sind. In den Regenwäldern und Savannen der Tropen sind Affe[50], Nilpferd[51], Giraffe[52], Nashorn[53], Hyäne[54], Stachelschwein[55] und Erdmännchen[56] zuhause, ebenso einige Großkatzen, nämlich  der Löwe[57], der Tiger[58], der Panther[59] und der wieselschnelle Jagdgepard.[60] Auch der malträtierte Tapir[61] und der Mantelpavian[62] samt seinem Harem gehören zur Tierwelt der Tropen. Der Elefant kommt lediglich in einem Bildgedicht vor.[63]

Die Wälder, Felder, Fluren und Berge der gemäßigten Zonen bevölkerte Gernhardt mit Hirsch[64], Reh[65], Gemse[66], Bergziege[67], Fuchs[68], Bär[69], Eisbär[70], Bambusbärin[71], Waschbär[72], Wolf[73] und Werwolf[74], Wildschwein[75], Eichhörnchen[76], Frettchen[77] sowie Dachs[78] und Dächsin[79], an den dort fließenden Flüssen ließ er Otter[80] und Biber[81] planschen. Auch der Bilch[82] (das Wort kommt aus dem Slowenischen, auf deutsch auch: Schlafmaus)[83], die Haselmaus (Muscardinus avellanarius, ein nachtaktiver Bilch)[84], die Brandmaus (Apodemus agrarius)[85] aus der Familie der Langschwanzmäuse (Muridae) und der Wombat[86] (aus der Klasse der Vombatidea, der Plumpbeutler) waren dem Dichter nicht zu gering für einen Reim. Schließlich gab er dem Elch[87], dem Nerz[88] und dem Zobel[89], die vorzugsweise in der unwirtlichen Tundra des Nordens leben, lyrische Präsenz. Von den Meeressäugern hat Gernhardt lediglich den Wal[90] und die Robbe[91] bedichtet.

Maus[92], Hausmaus[93] und Brandmaus[94], Igel[95], Fledermaus[96] und Ratte[97] kann man keiner einzelnen Klimazone zuordnen. Unter den Tieren dieser Gruppe war Gernhardt offenbar die possierliche Maus am liebsten, denn sie kommt – nach Hund und Katze – am häufigsten in seinen Gedichten vor.

D. Vögel

Nach den Säugetieren sind die Vögel in Gernhardts Gedichten am häufigsten vertreten. Von den Vögeln (Aves) gibt es 10.600 Arten auf der Erde, also etwa doppelt so viele wie bei den Säugetieren. Bei Gernhardt kommen gut drei Dutzend davon vor.  Die Vögel sind in seiner Lyrik oft für das Positive und die gute Laune zuständig, denn sie sind Frühlingsboten (Zugvögel, z. B. Amsel[98] [die Drossel fehlt!], Buchfink[99], Star[100] und Schwalbe[101]). Andere Vögel sind Symbole für hohe Werte wie die Freiheit (Möwe[102]), die Verführung (Nachtigall[103]), den Weltfrieden (Taube[104]), die Weisheit (Eule), den Familiensinn (Glucke samt Küchlein[105]) und die Familienplanung (Storch[106]), um nur einige zu nennen. Die Eule selbst fehlt allerdings in Gernhardts Gedichten, aber die Eulenvögel sind mit Kauz[107], Waldkauz[108] und Ohreule[109] ordentlich vertreten.

Vom Adler[110], dem König der Lüfte, war eingangs schon die Rede. Kleinere Greifvögel sind Habicht[111], Weihe[112], Falke[113], Bussard[114], Kondor[115] und Geier[116]. Zu den Rabenvögeln gehören Rabe[117], Eichelhäher[118] und Krähe[119], die Wasservögel sind durch Schwan[120], Pelikan[121], Gans[122] und Ganter[123], die Graugans[124], Schwan[125], Ente[126], Königspinguin[127], Kronenkranich[128] und Wasserhuhn[129] gut verteten. Die Reiher[130] (Ardeidae) sind keine Wasservögel, sondern gehören zur Familie der Schreitvögel (Ciconiiformes) und leben an Binnengewässern, denn sie ernähren sich von Süßwasserfischen. Auch das vom Namen dieses Vogels abgeleitete Verb (reihern) ist bei Gernhardt belegt:

Wenn mit großen Feuerwerken
Bürger froh das Dunkel feiern
Sich mit Bier und Fleischwurst stärken
Und in die Rabatten reihern.[131]

Weitere Vögel, die in Gernhardts lyrischem Werk eine Rolle spielen, sind Kiebitz[132], Meise[133],  Spatz[134], Sperber[135], Fasan[136], Mauersegler[137], Specht[138], Kleiber[139], Papagei[140], Hahn[141], Huhn[142], Haselhuhn[143], Birkhuhn[144], Wiedehopf[145], Zeisig[146] und die madegassische Sumpfamsel.[147] Auch im Fregattvogel[148], einem kleptoparasitischen Südseevogel aus der Ordnung der Ruderfüßler entdeckte Gernhardt poetisches Potential. Dem Marabu und seinen gräßlich missratenen Jungen hat er eine Bildergeschichte gewidmet.[149]

E. Spinnen, Krebse, Fische

Zwei weitere Klassen von Lebewesen sind ausgesprochen schwach vertreten in Gernhardts lyrischem Schaffen, nämlich die Spinne[150] und der Krebs.[151] Die Spinne gehört zu den Arachnidae, von denen ca. 38.000 Arten bekannt sind, Krebs, Krabbe[152] und Hummer[153] sind Mitglied der Crustaceae, die ca. 58.000 Arten umfassen. Sie treten jeweils nur einmal auf. Von den Fischen (Pisces, ca. 31.000 Arten) kommen gerade einmal vier Arten vor:  Hecht[154], Karpfen[155], Barsch[156] und Aal.[157] Der Dichter hielt diese drei Familien offenkundig für peripher. Immerhin findet sich im späten Hau eine depressive Ballade vom Fisch, die wir wegen des Ringelnatz-Tones Gernhardt zuschreiben möchten:

Der Fisch streicht durch die Wellen
Im nassen Element
Kein Dichter kann erhellen
Was ihm im Herzen brennt

Er hastet durch die Wogen
Es ist schon tiefe Nacht
Sein Weib hat ihn betrogen
Sein Kind hat ihn verlacht

Von Schmerz wird er getrieben
Der Gram wirft ihn an Land
Man fand ihn früh um sieben
Im heißen Sand am Strand.[158]

F. Reptilien und Lurche

Die Reptilien (Reptiliae, ca. 95000 Arten) und die Lurche (Amphibiae, ca. 7000 Arten) sind im Vergleich zu den Arachnidae, den Krustentieren und den Fischen besser vertreten in Gernhardts Gedichten. Dort finden sich immerhin acht Arten aus diesen beiden Familien: die Ringelnatter[159] und andere Schlangen[160], der Frosch[161], die Kröte[162], der Molch[163],  der Lurch[164], der Salamander[165] (ein Schwanzlurch), das Krokodil[166] und die Echse.[167]

G. Insekten

Noch etwas häufiger fanden die Insekten (Insectae, Kerbtiere, fast eine Million Arten) bei Gernhardt lyrische Beachtung, nämlich in zehn Fällen. Im einzelnen sind das die Fliege[168], die Schmeißfliege, die Zecke[169], die Libelle[170],  der Schmetterling[171] samt seiner Larve, der Raupe[172],  der Falter[173], das Taubenschwänzchen[174], die Biene[175] und die Hornisse.[176] Auch der Holzwurm, der nächtens tickt[177] (Anobium punctatum, gemeiner oder gewöhnlicher Nagekäfer), gehört zu den Insekten, obwohl er „Wurm“ heißt.

H. Neozoen

Einige seltene und bisher zoologisch nicht erfasste Arten führte Gernhardt in die Gegenwartsliteratur ein, nämlich: den Kastenfrosch[178] (Rana incapsulata), der quacken kann, den Stacheldrachen[179] (Draco spinosus), das erbsengroße Grabbeltier (Reptile ciceriforme)[180], den Haubenbären[181] (Ursus pilleatus), das Lörracher Regentier[182] (Animal pluvialis), den bösen grauen Schindelhund[183] (Canis scandularis), die Zirbelente[184] (Anas pinealis), die Wüstenkröte[185] (Bufo desertalis), die im Meer lebt, das Zwiebelhuhn[186] (Gallus cepalis), das herrliche Weltenhuhn[187] (Gallus universalis magnificus), die Schmuddelente[188] (Anas lutosa), den Kupferschieferhering (Clupea cyprioscandularis)[189], den Wasserhahn (Gallus aquosus) und das Wasserhuhn (Gallina aquosa)[190], Mimis Ostergeier (Vultur pascalis)[191], den Staugsaubären (Ursus pulvisugens)[192], den madegassischen Ansaugpanther (Pardus madegassicus adsugens)[193] und den Mördermarder (Mustela sicaria)[194].

Gerade diese Neozoen, die in Mitteleuropa bislang unbekannt waren, verdienten nähere Beachtung und Betrachtung, gerade hier warten neue und große Herausforderungen für die Gernhardtphilologie. Doch mehr als eine Katalogisierung kann hier nicht geboten werden.

I. Gernhardt als Phonologe und Tierstimmenimitator

Erwähnenswert ist schließlich die Verbindung, die der Dichter zwischen der Tierwelt und der Phonologie, genauer: dem Vokalismus des Deutschen herstellte. Er knüpfte dabei an Ernst Jandl an, der nur bis zum O gekommen war.  Ottos kotzender Mops hat dem Österreicher Ruhm und Anerkennung verschafft, ihn als Volksdichter verewigt.  Gernhardt ging weiter: vom O zum E, I, U und A. Er war – seit Baudelaire – der erste,  der den Klangraum der primären Kardinalvokale zwischen Annas Gans, Gudruns Luchs, Gittis Hirsch und Enzensbergers Exegeten lyrisch ausleuchtete.[195] Erst Gernhardts systematische Ausführung der Jandlschen Idee zeigt den artikulationsphonetischen Raum, in dem Ottos Mops unterwegs war, erst der Kontrast zwischen Mops, Gans, Luchs, Hirsch und Enzensberger arbeitet den inneren Bau dieses komplexen Systems heraus. Allerdings auch nicht mehr als das; die sekundären Kardinalvokale blieben auch bei Gernhardt unbeachtet. Gedichtanfänge wie Klärchäns Bär ächzt, Röbörts Stör röhrt oder Günthürs Hühnchün rülpst blieben der literarischen Welt deshalb erspart; das habe ich bereits früher angemerkt.[196] Eher unsystematisch griff Gernhardt das Thema in dem Liedfragment Zum Muttertag[197] noch einmal auf, in dem Wörter mit vielen Es (Erdbeerbecher) und As (Schamhaaransatz), aber auch solche mit vielen Bs (Braunbärbabies) und Kas (Kaktushecke) vorkommen: der Weg von den Vokalen zu den Konsonanten war gebahnt. Auch diesen Weg ging Gernhardt nicht bis zu seinem Ende, aber doch weiter als der erwähnte Enzensberger, der in seinem Gedicht A das B zwar streifte, aber im wesentlichen doch beim A stehenblieb.

K. Fazit

Ich konnte hier vielleicht nicht alle, auf jeden Fall aber die meisten höheren und weniger hohen Arten von Tieren vorstellen, die Gernhardts Lyrik bevölkern. Wo man hinhört, blökt, mauzt, faucht, bellt, kläfft, jault, winselt, brüllt, wiehert, brummt, gackert, kräht, gurrt, schnattert, trompetet, grunzt, röhrt, piepst, summt, fiept, quakt, zwitschert, quiekt und knurrt es.[198] Gernhardt schrieb nicht einfach Tiergedichte, sondern führte die Naturlyrik des 18. Jahrhunderts dekonstruierend in die Postmoderne. Dieser substantielle Teil des Gernhardtschen Werks konnte hier nur katalogisiert und oberflächlich vermessen werden. Es bietet der künftigen Gernhardtphilologie große Herausforderungen, die – im guten Sinne transdisziplinär – von der Poetik in die Zoologie, die Linguistik und die Pataphysik[199] reichen.

Quellen

Achterbahn. Ein Lesebuch. Insel-Bücherei Nr. S 2001. Frankfurt a. M. 2012.

BE       Besternte Ernte. Gedichte aus fünfzehn Jahren. Von R. Gernhardt und F. W. Bernstein. In: F. W. Bernstein – R. Gernhardt – F. K. Waechter, Die Drei. Frankfurt a. M. 1981. Teil 2.

GG      Gesammelte Gedichte 1954-2004. Frankfurt a. M. 2005.

Hau    Die Wahrheit über Arnold Hau. Hg. von R. Gernhardt – F. W. Bernstein – F. K. Waechter. In: F. W. Bernstein – R. Gernhardt – F. K. Waechter, Die Drei. Frankfurt a. M. 1981. Teil 1.

IG        Im Glück und anderswo. Gedichte. Frankfurt a. M. 2002.

LG      Lichte Gedichte. Zürich 1997.

SSA     Schnuffis sämtliche Abenteuer. Zürich 1986.

SGB    Vom Schönen, Guten, Baren. Bildergeschichten und Bildgedichte. Zürich 1997.

WS      Wörtersee. Frankfurt a. M. 1981.

Literatur

Bellmann, Günther, Slawisch/Deutsch (Schwerpunkte). In: Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. Hg. von Werner Besch, Anne Betten, Oskar Reichmann, Stefan Sonderegger. 4 Bde. Berlin, New York ²1998-2004, Bd. 4, 2004, 3229-3259.

Dornseiff, Franz, Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen. Siebte unveränderte Auflage. Berlin, New York 1970.

Enzensberger, Hans Magnus, A. In: Kiosk. Neue Gedichte. Frankfurt a. M. 1995, S. 89f.

Glück, Helmut, Gernhardt als Glottomane. Über die nächsten Aufgaben der Gern­hardt­phi­lo­lo­gie. In: Alles über den Künstler. Zum Werk von Ro­bert Gernhardt. Hg. von Lutz Ha­ge­stedt. Frank­furt a. M. 2003, S. 270–286.


[1] Glück 2003.

[2] Die verwendeten Abkürzungen sind am Ende des Beitrags erläutert.

[3] SGB 63-75.

[4] „Nach dem 12. Biere / ähneln sich alle Tiere“: Dämon Alkohol, SGB 372.

[5] Aus Haus Tierskizzenbuch, Hau 93. Dieses Wesen geht auf F. K. Waechter zurück.

[6] Tierwelt – Wunderwelt, GG 18.

[7] Tierwelt – Wunderwelt, Hau 88; Animalerotica, GG 50.

[8] Munter, munter!, SGB 376. Kolorierte Variationen zu diesem Bildergedicht schmücken dem Umschlag des Bandes „Vom Schönen, Guten, Baren“.

[9] Tierwelt – Wunderwelt, Hau 89. Das Schnabeltier ist ein eierlegendes Säugetier aus der Gruppe der Kloakentiere (Monotremata).

[10] Tierwelt – Wunderwelt, Hau 87.

[11] Tierwelt – Wunderwelt, Hau 87.

[12] Vergebliches Wünschen, GG 80; Erzählung, GG. 159; Lied vom Kriegen, GG 744; Ballade von der Endlichkeit des Ruhm, GG. 787-789; Die Vögel, GG 812 (Fischadler); SGB 168 (Herr Adler); Adler und Tadler, SGB 548; Aus der Welt der Technik, WS 232.

[13] Aus der Welt der Technik, WS 232.

[14] Umgang mit Tieren aus der Tiefe, GG 132.

[15] Alles über die Schöne und das Tier, SGB 584.

[16] Tiefsee-Distichon, SGB 517.

[17] Katzengedichte, GG 274 f.; Katz und Maus, GG 278; Katze in Pflege, GG 293; Durch Schwaben, GG 333; Welt, Raum und Zeit (über betagte Katzen), GG 130; Für Pumper (über eine pissende Katze); Das Rosten und die Ewigkeit, GG 419 f.; Mäusegedicht, GG 437; Dämmerung, GG 487; Viel und leicht, GG 489; Gespräch über Schönheit, GG 517; Zwei Getreue, GG 645; Aufforderung zur Teilnahme, GG 645 f.; Verfrühtes Dunkel, GG 648; Abendruhe, GG 659; Abendfütterung 18 Uhr, GG 669; Schlafenszeit, GG 689; Abendgedicht, GG 708; Katzenleben, GG 716; Hin und weg, GG 716 f.; Drei Miniaturen: Bei Konstanz. Herbst, GG 771; Von der Laufrichtung, GG 772; Als wir die Katze einschläfern lassen mussten, GG 802; Die Katze, GG 813 f.; Der lange Abschied von Billie, GG 816; Ein Staatsdichter verkündet das Ende der Literatur, GG 840; Was gut tut, GG 884; Die Tränentiere, SGB 322-326; Wenn Katzen Fernsehen hätten, SGB 356; Nein, diese Katzen!, SGB 374; Alles über den Konsul, SGB 395; Da da da, SGB 431; Es ist ein Maus entsprungen, SGB 453; Katz und Maus, SGB 499; Die Katze und das All, SGB 503; Katz und Kunst, SGB 556, Der Tag beginnt mit hellem Licht, Achterbahn 89.

[18] Begegnung in Gaiole in Chianti, GG 655.

[19] Scheiternde Hunde, SGB 253; Der Bund (mit dem Nachbarshund), GG 118 f.; Die Geburt, GG 456; Mittagsruhe, GG 642; Abendgang, GG 644; Zwei Getreue, GG 645; Verfrühtes Dunkel, GG 648; Morgenlektion, GG 649; Abendruhe, GG 659; Schlaflos um 2 Uhr 30, GG 660; Beispiel Bella zum zweiten, GG 665; Abendfütterung 18 Uhr, GG 669; Couplet vom Hauptstadtroman, GG 674; Schlafenszeit, GG 689; 30. Juni 1997, zwölf Uhr mittags, GG 706; Abendgedicht, GG 708; Hunde und Bilder, GG 714; Vita da cani GG 714 f.; Meinem Hunde gesagt, GG 785 f.; Glückspilz, GG 787; Frieder, GG 806 f.; Frau mit Askan, GG 810 f.; Die Katze, GG 813 f.: Der Hund, GG 814 f.; Einige Worte zum Bild Die brennende Giraffe von Salvador Dali oder Warum man besagtes Bild nicht schlecht machen kann, GG 839 f.; Morgen eines Dichters, GG 846; Mein Hund und mein Sohn, GG 864; Die Vögel oder Ginnheimer Feld-, Wald- und Wiesengedicht, GG 865; Gesang vom Hundchen (Anstandswauwau), GG 866 f.; Nachdem er von seiner Krankheit erfahren hatte, GG 876 f.; Was gut tut, GG 884; 7. August, Wahnsinn, GG 893; Große Anrufung des Heiligen Franziskus (Jagdhund), GG 904-906, hier: 906; Die Tränentiere, SGB 322-326; Weisheit des Westens, SGB 478; Traurige Folgen des Reimzwangs, SGB 536; Entschiedene Warnung, manchen Dingen allzu sehr auf den Grund zu gehen, SGB 547; Ein Hundeleben, SGB 585.

[20] Goldene Worte, GG 434 f.

[21] Berliner Zehner, Nr. 5, GG 683.

[22] Schopenhauers Pudel liest Hegel, SGB 292; Der vorlaute Pudel, SGB 598.

[23] Mopsens Machtwort, SGB 466.

[24] Komödiantenschicksal, SGB 545.

[25] Eviva el Wortspiel, SGB 580.

[26] Beispiel Bella zum ersten, GG 664.

[27] Rezensentenschelte, SGB 463.

[28] Neujahrsballade, SGB 501.

[29] Amnesie, GG 435 f.

[30] Erlebnis auf einer Rheinreise, GG 76; Umgang mit Tieren, GG 87; Pharaos Fluch, GG 101; Die kaiserliche Botschaft. Ein Nonsenzgedicht [sic], in GG 135 (Schimmel, Rappen); Indianergedicht, GG 158; Du (über ein Wolkenpferd), GG 179 f.; Im Nebel, GG 482; Gastlichkeit in Recklinghausen Abt. 6: Die Trabrennbahn, GG 546; Des Knaben Plunderhorn, GG 754; Drei Miniaturen: Bei Konstanz. Herbst, GG 771; Gesang vom Gedicht, GG 849 (dort: Roß); Gesang vom Hundchen (Pegasus), GG 866 f.; Leider nicht auf der Messe: dieses Buch, SGB 511; Blicke, SGB 576, Pferde-Schmählied, WS 89-91Neulich bei Monterchie, SGB 279; Jubiläum II: 20 Jahre 68. Ein Polizeipferd erinnert sich mal wieder, SGB 321; Fürs Poesiealbum, SGB 480.

[31] LG 159.

[32] IG 83-85.

[33] Goldene Worte, GG 434 f.; Die Geburt, GG 456; Bitte an durchreisende Verehrer, GG 470.

[34] Amnesie, GG 435 f.: Drei Miniaturen: Bei Konstanz. Herbst, GG 771; Hannover-Bremen, Eine Winterreise-Trilogie, GG 778 f.; Delacroix, WS 128-130.

[35] Der Untergang von Halberstadt, GG 35 f.; Goldene Worte, GG 434 f.; Bitte an durchreisende Verehrer, GG 470; Er und ich, GG S.473; Von der Gewissheit, GG 903, Psalm, WS 165.

[36] Tierwelt – Wunderwelt, Hau 88.

[37] Fatum, GG 308.

[38] SGB 173; Trost im Gedicht (über ein gedachtes Trüffelschwein), GG S, 137 f.; Beziehungsgespräch, GG 193; Der Doppelgänger, GG 270; Der Schattenwerfer, SGB 415; Weisheit des Westens, SGB 478; Schweinchen Problem, SGB 485.

[39] Die Wetterwendische, GG 39; Der Tiger-Report, Nr. 8, GG 363.

[40] Trost im Gedicht, GG 137 f.

[41] Durch Niederbayern, GG S, 334 f.

[42] Stadtnacht, GG 307; Fatum, GG 308; Neulich in der Philharmonie, SGB 560; Psalm, WS 165 (Leitbock).

[43] Durch Niederbayern, GG S, 334 f.; Choral (hier geht es um das Gotteslamm), GG 475; Frankfurt/Main – Zürich, 5. 5. 95, im Gegenlicht; Drei Miniaturen: Bei Konstanz. Herbst, GG 771; Hannover-Bremen, Eine Winterreise-Trilogie, GG 778 f.; Ist doch wahr!, SGB 507; Wie das Schaf zu seinem gestreiften Fell kam, Hau 148 f.; Der bestrafte Schäfer, Hau 150 f.

[44] Fatum, GG 308.

[45] Von den Wölfen, GG 663.

[46] Kurzes Wiedersehn auf dem Flughafen, GG 39; Bilden Sie mal noch einen Satz mit …, GG S.87; Wettlauf, GG 393;Tote Hose, GG 666; Meinem Hunde gesagt, GG 785 f.; Was wäre, wenn, SGB 416; Chines und Has – ein Vergleich, SGB 435; Zeichenschule I, WS 44, Lied, WS 49.

[47] Alles Verlierer, GG 789 f.; Rabbit on the run, GG 795 (Kulturkaninchen Robert); Die Macht des Willens, SGB 209.

[48] Die großen Monologe, GG 102; Die Tränentiere, SGB 322-326.

[49] Die Geburt, GG 456; Störung, GG 663; Grenzen der Kunst, SGB 468.

[50] Der unbedarfte Aff’, SGB 218 f.; Lied vom Kriegen, GG 744 (nur metaphorisch: jdm. den Affen geben).

[51] Meine Frau, GG 752 f.

[52] Einige Worte zum Bild „Die brennende Giraffe“ von Salvador Dali oder Warum man besagtes Bild nicht schlecht machen kann, GG 839 f.

[53] Der Tiger-Report, Nr. 5, GG 362; Neues vom Nashorn, SGB 380.

[54] Hyänen, GG 397.

[55] Morgendlicher Fund, GG 651; Einfach beschämend!, SGB 539.

[56] Zoo-Impressionen, GG 34.

[57] Aus einem Verständigungstext, SGB 228; Welt des Sports, SGB 369; Subtil, SGB 250; Zoo-Impressionen, GG 34; Sommer in Montaio, 4.8.79, GG 140, Goldene Worte, GG 434 f.; Grenzen der Kunst, SGB 468.

[58] Der Tiger-Report, Nr. 1, GG 359; Tierwelt – Wunderwelt, Hau 89.

[59] Der Tiger-Report, Nr.7, GG 363; Drama in der Steppe, SGB 371.

[60] Tierwelt – Wunderwelt, Hau 87.

[61] Amor und der Tapir. Ein Bilderbogen nach Wilhelm Busch, SGB 398 f.

[62] Affentheater, SGB 442.

[63] Reim und Wirklichkeit, SGB 476.

[64] Animalerotica, GG 50; Ottos Mops ond so fort, GG 521-523; Groß, größer, am größten. Drei Oden, WS 166 (Damhirsch).

[65] Ach Erika, GG 164 f.; Stadtnacht, GG 307; Durch Schwaben, GG 333; Reise in den Schmerz, GG 411 f.; Groß, größer, am größten. Drei Oden, WS 166; Ein Sonntag, WS 246.

[66] Amnesie, GG 435 f.; Frage und Antwort, WS 244; Tierwelt – Wunderwelt, Hau 87 f. (Gams und Gamsbock).

[67] Hommage à Nietzsche, Hau 169 f.

[68] Vom Fuchs und der Gans, GG 81; Jakobinischer Wandersmann, Abt. II, GG 366; Vom Fuchs und dem Eichelhäher, GG 516; Rabbit on the run, GG 795; Kamerad Tier, SGB 528.

[69] Die kaiserliche Botschaft. Ein Nonsenzgedicht [sic], GG 135; Aus einem Bärenbuch, SGB 205 (ausgesetzter Bär); Bär Bertel oder: Die Kunst des Blumenpflückens, SGB 265; Kamerad Tier, SGB 528; Die Sprache des Bären, WS 294 f.

[70] Polare Probleme, SGB 515.

[71] Nacht- und Reiselied einer schwebenden Bambusbärin, Achterbahn, 85.

[72] Waschbärs Ende, SGB 449.

[73] Gespräch mit dem Wolf, GG 454; Von den Wölfen, GG 663; Fahrt in die Nacht des Landes der Kindheit, GG 777; Lied ohne Worte. San Francesco predigt dem Wolf von Gubbio, SGB 470; Zum Heulen, SGB 573.

[74] Der Werwolf, SGB 482.

[75] Stirb und werde, SGB 447; Groß, größer, am größten. Drei Oden, WS 166.

[76] Lauf der Dinge oder Ballade von den alternden Männern in diesen bewegten Zeiten, GG 377 f.; Memento, GG 495 (hier aus rhythmischen Gründen in der Form „Eichhorn“); Fahrt in die Nacht des Landes der Kindheit, GG 777.

[77] Die Nacht, die Braut, der Tag, WS 292; Folgen der Trunksucht, GG 74, dort nur in der Ableitung frettchenhaft.

[78] Kamerad Tier, SGB 528.

[79] Animalerotica, GG 50; Goldene Worte, GG 434 f.; Im Dachsfigurenkabinett, SGB 268.

[80] Bruder Otter, GG 484-486.

[81] Vergebliches Wünschen, GG 80; Das Opfer, SGB 370; Energiepolitik, SGB 383; Was wäre, wenn (2), SGB 420 f.; Beispiel Biber, SGB 512; Mitte des Lebens, SGB 532; All about Petz, SGB 567.

[82] Die großen Monologe, GG. 102.

[83] Bellmann 2004, 3257.

[84] Die großen Monologe, GG. 103.

[85] Die Mäuse, GG 429

[86] Die großen Monologe, GG. 103.

[87] Das Gleichnis, GG 27; Robert Gernhardt an F. W. Bernstein, WS 253 f.; Tierwelt – Wunderwelt, Hau 87.

[88] Sonett vom Kampf der Generationen, GG 1002; Komödiantenschicksal, SGB 545.

[89] Vergebliches Wünschen, GG 81.

[90] Dreh es, o Seele, GG 42 (Grönlandwal); Grenzen der Kunst, SGB 468.

[91] Stoppt die Mörderrobben!, SGB 305; Na bitte!, SGB 488.

[92] Der Atelierbesuch, GG 77; Der Zähe, GG 267; Katz und Maus, GG 278; Gespräch über Schönheit, GG 517; Zwischen Mannheim und Groß-Gerau, GG. 533; Von der Laufrichtung, GG 772; Mutter Natur oder Variationen über eine Zeile von Friedrich Klopstock oder In zwanzig Strophen um das Thema Nummer eins, GG 820-823, hier: 823; Ein Staatsdichter verkündet das Ende der Literatur, GG 840; Hiob vor dem Spiegel, GG 896-898, hier: 898; Katz und Maus, SGB 499; Landmaus und Stadtmaus, WS S, 238 f.

[93] Wenn Katzen Fernsehen hätten SGB 356.

[94] Die Mäuse, GG 405.

[95] Ballade vom Gemach, GG 43; Wettlauf, GG 393; Meinem Hunde gesagt, GG 785 f.; Gesang vom Gedicht, GG 849; Ach aber ach, SGB 282.

[96] Sturmskizze, GG 718; SGB 103.

[97] Der Zähe, GG 267; Morgen in Unna, GG 331 f.; Kleine Antwort, GG. 413; Tier im Glück, GG 733; Neulich in Sachsenhausen, SGB 260 (Kanalratte); Der Beweis, SGB 381; Wie ich’s gern hätt’, SGB 410; Hokuspokus, SGB 486.

[98] Was der Tag bringt, GG 460; Natur-Blues, GG 480 f.; Moin, Moin, Morgenstern (Riesenamsel), WS 138.

[99] Große Anrufung des Heiligen Franziskus (Jagdhund), GG 904-906, hier: 906.

[100] Erzählung, GG 159; Robert Gernhardt an F. W. Bernstein, WS 253 f.

[101] Der Sommer in Montaio, 26. 7. 79, GG 139; Der ICE hat eine Bremsstörung hinter Karlsruhe, GG 532; Mittägliche Rast, GG 646; Resignative Reime, GG 717; Robert Gernhardt an F. W. Bernstein, WS 253 f.

[102] Das vierzehnte Jahr. Montaieser Elegie, 13. Stück, GG 219 f.; Auf Rügen, morgens, GG 691; Morgen eines Dichters, GG 846.

[103] Und es gibt Tiere, GG 166; Tierwelt – Wunderwelt, Hau 88.

[104] Jakobinischer Wandersmann, Abt. II, GG 366; Schön und gut und klar und wahr, GG 437; Tier im Glück, GG 733.

[105] Dichter und Vogel, GG 657. Für die mitlesende Jugend: Küchlein ist ein altes Wort für Küken; beides bezeichnet das goldgelbe Hühnerkind.

[106] Schöpfer und Geschöpfe, GG 280.

[107] Natur-Blues, GG 480 f.

[108] Erzählung, GG. 159.

[109] Die Vögel, GG 406.

[110] Dichter und Vogel, GG 657.

[111] Umgang mit Tieren, eins, GG 820-823, hier: 822; Umgang mit Tieren, GG S.87; Erzählung, GG. 159; Dichter und Vogel, GG 657.

[112] Eine schöne Vorstellung, GG 704; 3. September. Toscana terapia zum ersten, GG 898.

[113] Zur Beherzigung, GG 306 f.; Dichter und Vogel, GG 657.

[114] Bussard an der Bahnstrecke Augsburg-Ulm, GG 334; Septembersee, GG 487 f.

[115] Erzählung, GG. 159.

[116] Lilith, GG 105 f.; Dichter und Vogel, GG 657.

[117] Die Vögel, GG 406; Bei Betrachtung des Vandalenlagers, SGB 483, Mein sei mein ganzes Herz, WS 227-229.

[118] Vom Fuchs und dem Eichelhäher, GG 516.

[119] Beginn der Sommerzeit 96, GG 482; 11. Januar 1998 – er fährt an der Berliner Reichstagsbaustelle vorbei (Nebelkrähe), GG 722; Drei Miniaturen: Bei Konstanz. Herbst, GG 771; Die Vögel oder Ginnheimer Feld-, Wald- und Wiesengedicht (Rabenkrähe), GG 865.

[120] Schwanengesang, GG 70; Tretboote auf dem Main, GG 205; Mutter Natur oder Variationen über eine Zeile von Friedrich Klopstock oder In zwanzig Strophen um das Thema Nummer eins, GG 820-823, hier: 822; Schwanenlied, SGB 564; Schwanengesang, WS 10.

[121] Die Vögel, GG 812.

[122] Vom Fuchs und der Gans, GG 81; Ottos Mops ond so fort, GG 521-523; Jeden Herbst dasselbe, SGB 436.

[123] Kamerad Tier, SGB 528.

[124] Zoo-Impressionen, GG 34 f.

[125] Couplet vom Hauptstadtroman, GG 674; Auf Rügen, morgens, GG 691.

[126] An die Herren, GG 152; Couplet vom Hauptstadtroman, GG 674; Kurzer Aufenthalt in und um Krems a. d. Donau i. d. Wachau, GG 691 f.; Tübinger Feststellung, GG 769; Neulich am Ufer, SGB 586.

[127] Polare Probleme, SGB 515.

[128] Zoo-Impressionen, GG 34 f.

[129] Eine merkwürdige Begegnung im Schlosspark von Herrnsheim, GG. 324. Das Wasserhuhn heißt auch Blässhuhn (Fulica atra) und gehört zur Familie der Rallen.

[130] Reiher an der Bahnstrecke Augsburg-Ulm, GG 333; Im Nebel, GG 482; Frankfurt/Main – Zürich, 5. 5. 95, im Gegenlicht, GG 530 f.; Vorzeichen, GG 584 f.; Nach der Nacht, GG 689; Die Vögel, GG 812; Nachricht von der Chemotherapie (hier in der Bedeutung des Verbs reihern), GG 886.

[131] Samstagabendfieber, WS 269.

[132] Frankfurt/Main – Zürich, 5. 5. 95, im Gegenlicht, GG 530 f.

[133] Folgen der Trunksucht, GG 74.

[134] Der Atelierbesuch, GG 77; Katzengedichte, GG 274 f.; Ein Glück (über einen Spatzentod), GG 572; Beispiel Bella zum ersten (über einen Spatzenschwarm), GG 664.

[135] Erzählung, GG. 159; Die Tanzenden. Für Johanna Knorr, WS 191-193.

[136] Frankfurt/Main – Zürich, 5. 5. 95, im Gegenlicht, GG 530 f.

[137] 1. 6. Samstagmorgen, GG 593; Schwaches Bild, SGB 226.

[138] Indianergedicht, GG 158; Fritz, Freund und Augur (Grünspecht), GG S.599; Grenzen der Kunst, SGB 468.

[139] Frau mit Askan, GG 810 f.

[140] Eine merkwürdige Begegnung im Schlosspark von Herrnsheim, GG. 324.

[141] Störung, GG 663; Urworte. Optisch: Liebe, Peep, GG 824; Feuer und Flamme, SGB 450; Neujahrsballade, SGB 501; Der entlarvte Hahn, SGB 542; Schwanenlied, SGB 564.

[142] Giuseppes Botschaft, GG 708 f.; Urworte. Optisch: Liebe, Peep, GG 824; Feuer und Flamme, SGB 450, Der entlarvte Hahn, SGB 542.

[143] Umgang mit Tieren, GG 87.

[144] Tierwelt – Wunderwelt, Hau 87.

[145] Was wäre, wenn, GG 702 f.

[146] Viel und leicht, GG 489.

[147] SGB 83.

[148] Beim Anblick des Fregattvogels, GG 225 f.

[149] Vater und Söhne, SGB 397.

[150] Im Netz, GG 772 f.; Volksmund, SGB 459.

[151] Sonett im Krebs, GG 848.

[152] Groß, größer, am größten. Drei Oden, WS 167.

[153] Folgen der Trunksucht, GG 74.

[154] Der Atelierbesuch, GG 77; Schöpfer und Geschöpfe, GG 280; Frauen von heute und ihre Hüte im Urteil der Zeit genossen, SGB 568.

[155] Geständnis, GG 167; Frauen von heute und ihre Hüte im Urteil der Zeit genossen, SGB 568.

[156] Ebd.

[157] Ebd.

[158] Ballade vom Fisch, Hau 145.

[159] Pomm Fritz. Ein humoristischer Gedichtzyklus, GG 48.

[160] Morgendlicher Ausgang, GG 641; Der Forscher und die Schlange, SGB 384.

[161] Was ich heut sah, GG 84.; Froschmann, wohin?, SGB 524; Benn im Bild. Versuch einer Visualisierung des Gedichts „Einsamer nie -“ von Gottfried Benn, WS 131-137; Die Tanzenden. Für Johanna Knorr, WS 191-193.

[162] Liebesgedicht, GG. 186.

[163] Der ewige Molch, SGB 571.

[164] Schöpfer und Geschöpfe, GG 280.

[165] Sucher auch sie, SGB 527.

[166] Bitte um Verständnis, SGB 458.

[167] Verfrühtes Dunkel, GG 648.

[168] Kurze Rede zum vermeintlichen Ende einer Fliege, GG 486; Fliegengedicht, GG 717; Im Netz, GG 772 f.; Der Herr der Fliegen, SGB 441.

[169] Der Hund, GG 814 f.

[170] Septembersee, GG 487 f.

[171] Memento, GG 495 („Schmetterlingsgaukeln“); Memento mori, SGB 494.

[172] Wie das berühmte Raupenbild entstand, SGB 475.

[173] Doch da ist noch ein Falter. Ein Couplet, GG 72. Reimwörter sind dort Alter, Walter und Psalter. Weiterhin: Liebesgedicht, GG. 186; Dämmerung, GG 487; Mittagsruhe, GG 648.

[174] 8. Oktober. Toscana terapia zum fünften, GG 907: „Tou-bän-schwänz-gen. Che parola grossa per un insetto cosi piccolo“.

[175] Wärme, Stille, Kühle, GG 444; Verfrühtes Dunkel, GG 648; Über die Unmöglichkeit, von der Stille zu reden, GG 705; Die Lehre der letzten Hornisse, GG 718; Invasion der Bienenfresser, GG 901 f.

[176] Die Lehre der letzten Hornisse, GG 718; Alles Verlierer, GG 789 f.

[177] Schlaflos um 4 Uhr 30, GG 660.

[178] Wieder was gelernt, SGB 562.

[179] Ein Ratschlag, SGB 473.

[180] Tierwelt – Wunderwelt, Hau 87.

[181] Ebd.

[182] Ebd. 89.

[183] Ebd.

[184] Ebd.

[185] Ebd.

[186] Ebd.

[187] GG 19 f.

[188] Tierwelt – Wunderwelt, Hau 89.

[189] Der Tiger-Report, Nr. 6, GG 362

[190] BE 7.

[191] Osterballade, GG 244. „Ostergeier“ beruht scheinbar auf einem Aussprachfehler des Kleinkinds Mimi, das eigentlich „Ostereier“ sagen wollte. Das denken jedenfalls Mimis Eltern, bis der Ostergeier niederfährt, Mimi packt und mitnimmt.

[192] Vertreter-Elend, SGB 110. Hier ist dem Dichter womöglich ein Schreibfehler unterlaufen, denn der abgebildete Staugsaubär versucht offensichtlich, einer Hausfrau einen Staubsauger anzudrehen.

[193] SGB 81.

[194] Der Mördermarder, GG. 75 f.

[195] LG 128-130.

[196] Glück 2003, 276 f.

[197] W 275

[198] Weitere einschlägige Verben finden sich bei Dornseiff 1970, Nr. 7/33.

[199] Der Wikipedia-Artikel „Liste fiktiver Tiere“ (Aufruf am 20. 5. 2013) berücksichtigt Gernhardts Neozoen nicht, was einmal mehr zeigt, dass man Wikipedia-Artikel nicht zitieren sollte: sie sind mitunter unzuverlässig.

Der Kragenbär als Sinnbild des einsam Zufriedenen

Anmerkungen zu Robert Gernhardts Verszyklus Animalerotica

Von Markus Behmer

Sechs einfache Strichzeichnungen, fünf sind nahezu identisch. Ein dicker, sitzender Bär ist zu sehen, von hinten. Strichelungen neben seinem Körper deuten an: Er zittert, vielmehr vibriert; der Bär bebt. Nur das dritte Bild ist anders: Er hat sein Gesicht gewendet, blickt den Betrachter an, schaut etwas irritiert, ertappt, aber nicht unfreundlich, eher verschämt-konzentriert. Und sein Gesicht, im nächsten Bild sein Hinterkopf sind farblich verändert, wirken gerötet in der Schwarz-Weiß-Schattierung. Darunter stehen insgesamt elf Worte; ein Satz, ein Reim – ein Gedicht. Ein Schelmenstück mit Tiefgang: „ Der Kragenbär / der holt sich / munter / einen nach / dem andern / runter“ (Gernhardt/Bernstein 1976, 63-65).

Robert Gernhardt war es, der dem Kragenbär hier 1976 ein zeichnerisch-literarisches Denkmal gesetzt hat. Der animalische Autoerotiker als stillvergnügt-hedonistische Kunstfigur. Der Vers bildet den – einzig illustrierten – Schlusspunkt in einer Abfolge von insgesamt 14 Kurzgedichten, die zusammen ein skurriles Panoptikum vermenschlicht-tierischen Sexualverhaltens ergeben: der Zyklus Animalerotica.

 Über Selbstbefriedigung zu sprechen, sie gar zu zeigen, war noch in den prüden 50er Jahren geradezu tabuisiert. Masturbation? Oh, na. Nie! Dann kam die „sexuelle Revolution“ der 60er, Oswald Kolles Aufklärungsfilme (1968-1972), „Dr. Sommers“ (alias Moritz Goldsteins) Ratgeberkolumne Was dich bewegt ab 1969 in der Bravo (die übrigens noch 1972 wegen der Sommer-Aussage, Onanie mache „weder krank noch schwul noch unfruchtbar“ auf den Index kam). Aufklärungsbücher wie Günter Amendts Sexfront (1970) oder Alex Comforts The Joy of Sex (1972) wurden schließlich Bestseller, Henry Millers Romane Kult. Zeit also, auch Autoerotik aus den Schmuddelecken zu befreien, sie bildlich zu zeigen. Während Robert Mapplethorpes Fotos masturbierender Männer noch zum Skandal taugten, zeigt es uns Gernhardt in animalischer Übertragung.

Warum aber ist es gerade ein Kragenbär (zoologisch Ursus thibetanus), der da wichst? Möglich, dass die Zeichnung auf einem konkreten Naturerlebnis, einer Zoobeobachtung Gernhardts beruht. Gut denkbar jedenfalls, dass ein Kragenbär selbst den zeichnenden Dichter inspiriert haben könnte, wie Fotos des asiatischen Zottels zeigen (siehe hier  und hier).

Doch wären andere Protagonisten überhaupt vorstellbar? Sie könnten eventuell andere Konnotationen auslösen, andere Assoziationsketten in Gang setzen. Ein egosexierendes Karnickel etwa könnte an einen Zeugungsstreik in den Zeiten der Überbevölkerung gemahnen, eine autoerotisch aktive Tse-Tse-Fliege würde wohl kaum Empathie ermöglichen, bei einem Wal wäre sicher die auto-haptische Handhabung mindestens höchst diffizil (wiewohl Gernhardt auch sein Sexualverhalten treffend charakterisiert: „Der WAL vollzieht den Liebesakt / zumeist im Wasser. Und stets nackt“, ebd. 63), und holte sich da etwa, horribile dictu, ein Professor munter …, es wäre einfach zu explizit, platt. Aber warum nicht zum Beispiel ein Löwe, ein Gorilla, ein Känguru?

Nun, vielleicht hat es zoologische, artenspezifische Gründe? Kragenbären sind außerhalb der Paarungszeit Einzelgänger – und die Paarungszeit ist kurz, nur etwa zwei Monate im Jahr. Zudem ist der Bestand gefährdet (vgl. wwf-arten.wwf.de). Wenig Gelegenheit also für den Bären, eine Beischlafpartnerin zu finden. Was soll er also tun, der männliche Thibetanus, wenn ihn die Sehnsucht packt, wohin mit seiner Libido?

Näher liegt allerdings, dass Gernhardt nicht auf biologische Gegebenheiten als vielmehr auf symbolische Verknüpfungen anspielt. Ist doch der Bär z.B. ein häufiges Motiv der Heraldik: ein kraftstrotzender, wohl auch lendenstarker Einzelgänger, wie er uns in den Wappen beispielsweise von Berlin, Bern und Madrid (oder auch des gegenwärtigen Papstes) entgegentritt.

In der Traumdeutung steht der Bär übrigens für „besitzergreifende Liebe“ (traumdeuter.ch). In Fabeln ist Meister Petz meist ein gutmütiger, oft naiver Gesell, in Alan Alexander Milnes Geschichten aus dem Hundert-Morgen-Wald ist Winnie Puuh gleichfalls etwas tumb, sehr bequem, liebenswert und in Rudyard Kiplings Dschungelbuch, mehr noch in Walt Disneys Trickfilmklassiker liebt es Balu gemütlich. In Christian Fürchtegott Gellerts Gedicht Der Tanzbär (1746) ist er eine geschundene Kreatur (die zwar aus ihrer Unfreiheit fliehen kann, aber auf Dauer keinen Anschluss mehr zu ihren Artgenossen findet), ähnlich auch oft in John Irvings frühen Romanen – von Setting Free the Bears (1968) bis hin zu The World According to Garp (1978) und The Hotel New Hampshire (1981) –, wo die Bären aber auch zum guten Hausfreund mutieren – und teils ihrer eigenen Wege gehen. Kurzum: Häufig sind Bären literarische Figuren. Kaum einmal werden sie charakterisiert als wilde, gar böse Raubtiere. Oft hingegen bergen sie Identifikationspotential, tragen menschliche Züge, wirken gemütlich, in sich ruhend. Knuddelig-riesige Teddys. Knuts, die nur selten zum „Problembär“ mutieren. Mithin sauber-unschuldige Projektionsflächen für dann gar nicht mehr schmutzige Selbstbefriedigungsphantasien. Gut gewählt, Herr Gernhardt: Masturbation wird über die animalische Apotheose nur allzu menschlich.

Wehe aber der Mensch kommt ihm, dem Bären, zu nahe, geht gar eine Beziehung mit ihm ein. Die griechische Mythologie hält – wie so oft – ein mahnendes Beispiel parat: Das Schicksal der Polyphonte. Sie lästerte über die vielen Liebeshändel der Aphrodite und schloss sich deren Rivalin an, der jungfräulichen Artemis. Aphrodite rächte sich furchtbar, machte, dass sich Polyphonte leidenschaftlich verliebte – eben in einen Bären. Von ihm gebar sie zwei Söhne, die Giganten Agrius und Oreius: halb Tier, halb Mensch und ganze Unholde. Zeus bestrafte ihre blutigen Untaten, ließ sie in Geier verwandeln – und ihre arme Mutter in einen Unglücksvogel, die Nachteule. Ach Bär, hättest du dich doch nur mit dir selbst vergnügt.

Oder trifft Gernhardt eine politische Aussage? Sehen wir in seinen sechs Zeichnungen den russischen Bären, der sich, ermattet im Kalten Krieg, zur Ruhe setzen und sich statt waffenprotzendem Männlichkeitsgebarens friedlicheren Beschäftigungen hingeben – sich auf sich selbst konzentrieren, innere Probleme lösen – möge? Oder ist es gar ökonomisch gemeint? Entspanne dich, du Börsentier. Lass’ Druck abfallen – anstatt stets auf fallende Kurse zu setzen.

In Robert Gernhardts Schaffen kommen übrigens oft Tiere vor, ein ganzer Zoo, ein wahres Bestiarium kommt da zusammen, wiewohl das ihm oft zugeschriebene berühmte „Motto“ der „Neuen Frankfurter Schule“ „Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche“ von seinem Weggefährten F. W. Bernstein (eigentlich Fritz Weigle) stammt (vgl. echolog.de). Doch sei’s drum: Wer wagte, diese Aussage auf unser Gedicht übertragend, nun noch den Bär zu kritisieren?

Im Buch steht das Kragenbär-Poem, wie berichtet, in einem kleinen Zyklus. Thematisiert sind immer wieder gestörte Kommunikationsakte. Nahezu alle Paarbeziehungen im Gernhardt’schen Animalerotica-Rondo sind problematisch – „Der PELIKAN steht wie gelähmt / nie hat ihn jemand so beschämt, / wie jener feiste Kolibri, / der ihn des Pubertierens zieh“ – oder gar fatal: „Der HABICHT fraß die Wanderratte/ nachdem er sie geschändet hatte“ (Gernhard/Bernstein 1976, 64).

Auch an vielen anderen Stellen des Werks stehen Probleme der Verständigung im Fokus, nicht nur in der Tierwelt. So in „Fünf Vierzeiler[n]“, deren letzter hier exemplarisch angeführt sei: „Die Basis sprach zum Überbau: / ‚Du bist ja heut schon wieder blau!’ / Da sprach der Überbau zur Basis: / ‚Was is?’“ (ebd. 140).

Nur die Alleinstehenden – sind es Autisten? – wirken mit sich im Reinen: „Der BÄR schaut seinen Ziesemann / nie ohne stille Demut an.“ Und: „Der MOPS hat seinen Zeugungstrieb / ganz schrecklich gern und furchtbar lieb“ (ebd. 63) Und unser Kragenbär; er wirkt glücklich oder mindestens „munter“.

So kann man als eine Kernaussage des Werks festhalten: Am Glücklichsten ist der Mensch (das Tier) alleine.  Doch muss das so sein? Wenigstens ein entfernter Artverwandter unseres Kragenbärs genießt (im ersten der Animalerotica-Verse) durchaus die Zweisamkeit: „Der NASENBÄR sprach zu der Bärin / ‚Ich will dich jetzt was Schönes lehren!’ / Worauf er ihr ins Weiche griff / und dazu ‚La Paloma’ pfiff.“ (ebd.)

Zitierte Literatur:

Gernhardt, Robert u. F. W. Bernstein: Besternte Ernte. Gedichte aus fünfzehn Jahren. Frankfurt a. M.: Zweitausendeins 1976.